Darf man mit Demenz Auto fahren?
Inhaltsverzeichnis
Einführung
In der Schweiz ist ab dem 75. Lebensjahr alle zwei Jahre ein Fahrtauglichkeitstest gesetzlich vorgeschrieben. Dieser soll sicherstellen, dass ältere Fahrerinnen und Fahrer weiterhin die nötigen Fähigkeiten haben, um sicher am Straßenverkehr teilzunehmen. Für Menschen mit Demenz wird das Thema Autofahren besonders heikel, da die Krankheit schleichend die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt, die für das sichere Führen eines Fahrzeugs notwendig sind.
Demenz kann die Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen beeinträchtigen, die für das Autofahren notwendig sind. Bereits im frühen Stadium der Krankheit kann eine Verschlechterung der Fahrfähigkeit auftreten, da Autofahren komplexe kognitive und motorische Fähigkeiten erfordert (Bopp-Kistler, 2022).
Da es mehrere verschiedene Formen von Demenz (ebenfalls siehe Artikel Demenz-Test) gibt, die sich in ihren Ursachen und Symptomen unterscheiden, haben wir nachfolgend eine kurze Übersicht aufgelistet (nicht abschliessend). In diesem Artikel wird insbesondere Bezug auf die Alzheimer-Demenz (Alzheimer-Krankheit) genommen.
Demenz Art | Kurzbeschrieb | Mögliche Symptome | Quelle |
Alzheimer-Demenz | Häufigste Form der Demenz, verursacht durch die Ansammlung von Amyloid-Plaques und Tau-Proteinen im Gehirn. | Gedächtnisverlust, Verwirrung, Desorientierung, Sprachprobleme, Stimmungsschwankungen, Schwierigkeiten bei alltäglichen Aufgaben | Mayo Clinic, 2023 |
Vaskuläre Demenz | Durchblutungsstörungen im Gehirn, oft nach Schlaganfällen oder anderen vaskulären Ereignissen. | Verlangsamtes Denken, Gedächtnisprobleme, Schwierigkeiten bei der Planung und Problemlösung, Orientierungsschwierigkeiten | MSD Manual, 2023 |
Lewy-Körper-Demenz | Durch Proteinablagerungen (Lewy-Körper) in den Nervenzellen, die motorische und kognitive Funktionen beeinträchtigen. | Visuelle Halluzinationen, Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit, motorische Probleme, Schlafstörungen | McKeith et al., 2017 |
Frontotemporale Demenz | Schädigt vor allem die Stirn- und Schläfenlappen, die für Verhalten und Sprache zuständig sind. | Verhaltensänderungen, Sprachprobleme, emotionale Abstumpfung, soziale Hemmung | Bang et al., 2015 |
Gemischte Demenz | Kombination von Alzheimer- und vaskulärer Demenz. | Mischung der Symptome von Alzheimer und vaskulärer Demenz, einschliesslich Gedächtnisverlust und Orientierungsschwierigkeiten | Iadecola, 2013 |
Parkinson-Demenz | Tritt bei Menschen mit der Parkinson-Krankheit auf, wenn kognitive Funktionen beeinträchtigt werden. | Gedächtnisverlust, langsames Denken, Schwierigkeiten bei der Problemlösung und Planungsaufgaben | Aarsland et al., 2021 |
Korsakow-Syndrom | Durch Alkoholmissbrauch und Vitamin-B1-Mangel verursacht, der zu schweren Gedächtnisstörungen führt. | Gedächtnisverlust, Konfabulation (Erfinden von Geschichten, um Gedächtnislücken zu füllen) | Kopelman, 1995 |
Demenz und Auto fahren
Demenz beeinflusst die kognitive Leistungsfähigkeit und damit auch die Fahreignung. Besonders betroffen sind das Erinnerungsvermögen, die Orientierung sowie die Fähigkeit, in kritischen Situationen schnell und sicher zu reagieren. Obwohl viele Menschen im Anfangsstadium der Demenz noch in der Lage sind, Auto zu fahren, verschlechtert sich diese Fähigkeit mit dem Fortschreiten der Krankheit zunehmend. Diese zunehmenden kognitiven Einschränkungen machen es für Betroffene schwer, den Überblick im Strassenverkehr zu behalten und unerwartete Situationen richtig einzuschätzen (Bopp-Kistler, 2022). In komplexen Verkehrssituationen, wie z. B. bei Baustellen oder neuen Verkehrsanordnungen, können Demenzkranke schnell überfordert sein, was das Unfallrisiko erhöht.
Kann man mit Demenz Auto fahren?
Ob jemand mit einer Demenz weiterhin sicher Auto fahren kann, muss individuell entschieden werden. Die Fahrfähigkeit kann im frühen Stadium der Erkrankung noch vorhanden sein, jedoch sind regelmässige Überprüfungen notwendig. Ärztinnen und Ärzte können im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen Fahrtauglichkeitsprüfungen einschätzen, ob das Autofahren weiterhin sicher ist oder ob es Zeit ist, den Führerschein abzugeben (Alzheimer Schweiz, 2018). Im Anfangsstadium können manche Fähigkeiten, wie das Manövrieren und Parken, noch gut funktionieren, da diese auf dem prozeduralen Gedächtnis basieren (Bopp-Kistler, 2022). Trotzdem können andere Fahranforderungen, wie das Planen von Fahrmanövern oder das Reagieren auf unerwartete Ereignisse, durch die Krankheit erheblich beeinträchtigt sein.
Wie lange darf man mit Demenz noch Auto fahren?
Es gibt keine feste Regel, wie lange Menschen mit Demenz noch Auto fahren dürfen. Menschen, die viele Jahre regelmässig Auto gefahren sind, haben viele notwendige Fertigkeiten verinnerlicht, was es ihnen im frühen Stadium einer Alzheimer-Erkrankung oft ermöglicht, weiterhin sicher zu fahren. Allerdings beeinträchtigen Alzheimer und andere Demenzerkrankungen die Aufmerksamkeit, Orientierung und Reaktionszeit (TCS MyMed, n.d.).
Im weiteren Verlauf der Krankheit wird das Autofahren zunehmend schwieriger und gefährlicher. Sobald jedoch Anzeichen wie Orientierungsschwierigkeiten, langsame Reaktionen oder Unfälle auftreten, sollte das Autofahren beendet werden. Angehörige sollten die betroffene Person frühzeitig dazu ermutigen, auf das Autofahren zu verzichten, um die Sicherheit im Straßenverkehr nicht zu gefährden (Alzheimer Schweiz, 2018). So steigt auch das Risiko von Unfällen mit fortschreitender Demenz erheblich (Bopp-Kistler, 2022), insbesondere wenn Fahrfehler wie das Missachten von Ampeln oder das Verwechseln von Verkehrsrichtungen auftreten. Angehörige können die Dringlichkeit der Situation gut einschätzen, indem sie sich fragen: „Würde ich mein Kind noch mitfahren lassen?“ (Alzheimer Schweiz, 2018; TCS MyMed, n.d.).
Es fällt vielen schwer, das Thema anzusprechen, da es mit dem Verlust von Unabhängigkeit und Mobilität verbunden ist. Angehörige sollten die betroffene Person frühzeitig ermutigen, professionelle Hilfe aufzusuchen und ebenfalls darauf hinweisen, welche Risiken das Autofahren mit sich bringt (insbesondere auch für andere Verkehrsteilnehmer) und ein allfälliger Verzicht hilft, die Sicherheit im Strassenverkehr zu erhalten.
Was angehörigen tun können
Angehörige spielen dahingehend eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, ob Menschen mit Demenz weiterhin ein Fahrzeug führen sollten. Eine sorgfältige Beobachtung des Fahrverhaltens sowie die regelmässige Ärztliche Überprüfung sind essenziell, um potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen. Angehörige können darauf achten, ob typische Anzeichen wie langsames oder unsicheres Fahren, das Missachten von Verkehrsregeln oder Schwierigkeiten in komplexen Verkehrssituationen auftreten. Ärzte und Pflegepersonal empfehlen oft eine enge Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Fachkräften, um den Übergang vom aktiven Fahren zu alternativen Mobilitätsformen wie öffentlichem Nahverkehr oder Fahrgemeinschaften so reibungslos wie möglich zu gestalten (BenitaSana, 2024). Es ist aber auch für Angehörige oftmals emotional schwierig, diese Diskussion zu führen, da das Autofahren für viele Menschen Ausdruck von Unabhängigkeit ist (Bopp-Kistler, 2022). Angehörige sollten sich jedoch über die gesetzlichen Möglichkeiten informieren, falls die Einsicht beim Patienten fehlt, und ihre Sorgen dokumentieren.
Demenz und Auto fahren: darauf sollten Sie achten
Besondere Vorsicht ist geboten, wenn die betroffene Person immer häufiger Orientierungsschwierigkeiten hat, an Ampeln häufig zögert oder Verkehrsregeln missachtet. Typische Warnzeichen für eine eingeschränkte Fahrfähigkeit sind ebenfalls eine erhöhte Anzahl von Fahrfehlern, unangemessenes Bremsen oder Spurwechseln und Orientierungslosigkeit in bekannten Umgebungen. Solche Anzeichen deuten darauf hin, dass die kognitiven Fähigkeiten abnehmen und das Risiko eines Unfalls steigt. Angehörige sollten sich fragen: „Würde ich mein Kind mit der Person noch mitfahren lassen?“ Wenn die Antwort „nein“ lautet, ist es höchste Zeit, das Thema Autofahren anzusprechen.
Demenz und Unfall - wer haftet?
Im Falle eines Unfalls wird geprüft, ob die betroffene Person noch fahrtauglich war. Wenn der demenzkranke Fahrer bereits als nicht mehr fahrtauglich galt und dies bekannt war, könnte es zu Problemen bei der Haftung kommen. Ärztinnen und Ärzte haben eine Sorgfaltspflicht, die Fahrfähigkeit ihrer Patienten zu bewerten und gegebenenfalls eine Meldung an das Strassenverkehrsamt zu machen. Es ist daher wichtig, frühzeitig auf das Autofahren zu verzichten, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
In der Schweiz haften Angehörige ebenfalls in der Regel nicht automatisch, wenn eine demenzkranke Person einen Unfall verursacht. Demenzkranke werden als urteilsunfähig betrachtet, wenn sie die Folgen ihres Handelns nicht mehr verstehen können, was bedeutet, dass sie selbst meist nicht haftbar sind. Angehörige haften nur, wenn sie eine besondere Aufsichtspflicht übernommen haben, z. B. durch einen Vorsorgeauftrag oder wenn sie als Betreuer gerichtlich bestellt wurden. In solchen Fällen können sie zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie vorhersehbare Risiken nicht verhindert haben.
Es ist auch wichtig, die Haftpflichtversicherung über die Diagnose der Demenz zu informieren, um sicherzustellen, dass Schäden, die durch den Demenzkranken verursacht werden, abgedeckt sind. Eine Art von „Deliktsunfähigkeitsklausel“ (häufiger Begriff in Deutschland) kann hier hilfreich sein, da sie auch greift, wenn die betroffene Person aufgrund ihrer Erkrankung nicht mehr haftbar ist. In der Schweiz werden dahingehend Begriffe wie „Urteilsunfähigkeit“ oder „fehlende Haftpflichtfähigkeit“ genutzt, um Fälle abzudecken, in denen eine Person, etwa aufgrund einer Demenzerkrankung, die Tragweite ihrer Handlungen nicht mehr verstehen kann.
Vermerk: Die Privathaftpflichtversicherung ist in der Schweiz nicht obligatorisch, aber dahingehend stark empfohlen, insbesondere wenn ältere oder demenzkranke Personen im Haushalt leben.
Es wird allgemein empfohlen, bei fortschreitender Demenz frühzeitig Massnahmen zu ergreifen, um das Risiko von Unfällen zu minimieren, z. B. den Zugang zu Fahrzeugen zu kontrollieren oder die Person zu beaufsichtigen.
Weitere Informationen finden Sie bei Alzheimer Schweiz und in der Schweizer Gesetzgebung zu Aufsichtspflichten und Urteilsfähigkeit (Alzheimer Schweiz, o. D.).
Hinweis: Die gesamten Informationen in diesem Artikel wurden sorgfältig recherchiert, ersetzen jedoch nicht die Beratung durch eine Ärztin oder einen Arzt oder im Haftungsfall die Konsultation bei entsprechenden Versicherungen und/oder Anwälten. Alle Angaben ohne Gewähr.
Quellen
Aarsland, D., Creese, B., Politis, M., et al. (2021). Kognitiver Abbau bei Parkinson. Nature Reviews Neurology, 17(8), 497-509. https://doi.org/10.1038/s41582-021-00509-5
Alzheimer Schweiz. (2018). Autofahren und Demenz [Infoblatt Nr. 020]. https://www.alzheimer-schweiz.ch/de/publikationen-produkte/informationsblaetter
Alzheimer Schweiz. (o.D.). Urteilsfähigkeit und Haftung bei Demenz. Alzheimer Schweiz. https://www.alzheimer-schweiz.ch
Bang, J., Spina, S., & Miller, B. L. (2015). Frontotemporale Demenz. The Lancet, 386(10004), 1672-1682. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(15)00461-4
Bopp-Kistler, I. (2022). Fahrtauglichkeit im Alter: Wen sollten Sie melden?. Ars Medici, 5, 131–133.
Bundesamt für Gesundheit (BAG). (o.D.). Medizinische Mindestanforderungen für das Lenken eines Motorfahrzeugs. Abgerufen am 10. Oktober 2024, von https://www.bag.admin.ch
Iadecola, C. (2013). Die Pathobiologie der vaskulären Demenz. Neuron, 80(4), 844-866. https://doi.org/10.1016/j.neuron.2013.10.008
Kopelman, M. D. (1995). Das Korsakoff-Syndrom. The British Journal of Psychiatry, 166(2), 154-173. https://doi.org/10.1192/bjp.166.2.154
Mayo Clinic. (2023). Alzheimer’s disease: Symptoms and causes. https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/alzheimers-disease/symptoms-causes/syc-20350447
McKeith, I. G., Boeve, B. F., Dickson, D. W., et al. (2017). Diagnose und Management der Demenz mit Lewy-Körpern: Vierter Konsensbericht des DLB-Konsortiums. Neurology, 89(1), 88-100. https://doi.org/10.1212/WNL.0000000000004058
Medtraffic. (o.D.). Fahrtauglichkeit und Demenz: Empfehlungen für Ärzte und Fachpersonen. Abgerufen am 10. Oktober 2024, von https://www.medtraffic.ch
MSD Manual. (2023). Vaskuläre Demenz. https://www.msdmanuals.com/de/heim/st%C3%B6rungen-der-hirn-r%C3%BCckenmarks-und-nervenfunktion/delirium-und-demenz/vaskul%C3%A4re-demenz
TCS MyMed. (o.D.). Kann man mit Alzheimer noch Autofahren? Abgerufen am 10. Oktober 2024, von https://tcs-mymed.ch/de/symptome-krankheiten/krankheiten/kann-man-mit-alzheimer-noch-autofahren
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